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Presse
09.01.2017, 15:48 Uhr
„Europa muss erwachsen werden“
EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger spricht beim Neujahrsempfang der Kreis-CDU in Markgröningen


Quelle: Ludwigsburger Kreiszeitung vom 07.01.2017
 

Flüchtlingskrise, Globalisierung, Bundestagswahl: Die knapp einstündige Rede des EU-Kommissars Günther Oettinger beim 17. Neujahrsempfang der Kreis-CDU in der mit „vielen Weggefährten“ gut besuchten Markgröninger Stadthalle am Benzberg glich einem Parforceritt durch Europa. Immer wieder brandete Beifall auf, beispielsweise als Oettinger den Landkreis Ludwigsburg für seine Lebensqualität, sein intaktes Vereinsleben, seine Wirtschaft lobte („die Welt beneidet uns dafür“). Umso erstaunter sei er, wenn er von Brüssel hierher komme und in viele ehrbare, aber griesgrämige Gesichter schaue. „Es geht euch besser als allen Generationen zuvor“, betonte Oettinger. Gleichzeitig sei die Welt weiterhin von Terrorismus und Krisen bedroht. „Wir hatten 2016 mehr schlechte Nachrichten, als in der jüngeren Vergangenheit“.

Sichtlich gut gelaunt und entspannt präsentiert sich EU-Kommissar Günther Oettinger beim Neujahrsempfang der Kreis-CDU. Foto: Alfred Drossel/LKZ

Oettinger warnte vor Protektionismus, Populismus und Nationalismus. Abschottung sei nicht der richtige Weg, Baden-Württemberg brauche als Exportregion Globalisierung und weltweite Handelsabkommen. „Wir müssen das Tor zur Welt offenhalten, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein“, so Oettinger. „Wir brauchen aber gute Facharbeiter und die Automatisierung, um unsere Produkte zu vertretbaren Preisen zu verkaufen.“ Die Digitalisierung halte keine auf, so Oettinger. Der 63-jährige Politprofi sprach sich für eine längere Lebensarbeitszeit aus. Der Renteneintritt müsse an die Lebenserwartung angepasst werden. „Sonst kriegen wir die Sicherung unserer Sozialsysteme nicht hin.“

   Oettinger blickte auch über den Teich auf den baldigen Amtsantritt des neuen US-Präsidenten. Europa müsse eine Antwort auf Donald Trumps „Amerika first“-Politik finden. „Wir muss erwachsen werden“, die europäische Nachbarschaft dürfe nicht nur darauf hoffe, dass der „Papa aus den USA“ alles richte. Europa, nicht die USA, sei von instabilen Regionen umgeben. „Unsere Nachbarschaft brennt“, also müssten dafür auch Deutschland und Europa Verantwortung übernehmen und beispielsweise in Ägypten den Aufbau der Wirtschaft, Infrastruktur und Bildung fördern.

   Eine gemeinsame europäische Strategie sei auch für Syrien, Irak und die Türkei nötig. „Frieden in der Nachbarschaft geht nur, wenn wir mit einer Stimme und einer europäischen Strategie arbeiten“, sagte Oettinger. Gerade Deutschland, als größtes Land der Europäischen Union, sei aufgefordert, für Frieden zu sorgen. „Deutschland kann nicht Export-Riese, aber Politik-Zwerg sein“.

   Oettinger streifte kurz auf das schlechte Ergebnis der CDU bei der Landtagswahl („ein Tiefschlag“, „in vier Jahren, in der Nach-Kretschmann-Phase, drehen wir das Ding wieder rum“) und machte seinen Parteikollegen Mut für den anstehenden Bundestagswahlkampf. „Wir brauchen in Baden-Württemberg 40 plus, dann haben wir auch bundesweit um die 40 Prozent, dann bleibt Angela Merkel Kanzlerin“, sagte Oettinger. „Das traue ich der bärenstärken CDU in Baden-Württemberg auch zu.“ Ob es dann mit der FDP, den Grünen oder der SPD zur Regierungsbeteiligung reiche, sei dahingestellt, so Oettinger.

   Der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger der den erkrankten CDU-Kreischefs Rainer Wieland vertrat, sah das etwas anders. „Die Grünen sind im Bund kein Regierungspartner, solange sie sich nicht anders aufstellen.“ Bilger ist überzeugt davon, dass die Themen Flüchtlingskrise und Innere Sicherheit den Bundestagswahlkampf bestimmen werden. Die CDU brauche dafür ein klares Profil und Politiker, die Klartext redeten, so wie Günther Oettinger, sagte Bilger unter dem Beifall der Gäste in Markgröningen.

 

Inge Hartmann

Ludwigsburger Kreiszeitung